Rund 60 Sport- und Techtaucher folgten der Einladung zum bereits seit Wochen bei freiem Eintritt ‘ausverkauften’ DAN Road Trip Stop am 28. Juli in Kufstein. Beim in Zusammenarbeit mit dem Tauchclub Submarine Kufstein organisierten Treffen ging es vor allem um tauchmedizinische Forschung.
Im ersten Teil des Abends präsentierte Dr. Frank Hartig medizinische Fakten und Studienergebnisse wie die keineswegs neue, aber für viele Taucher dennoch unbekannte Erkenntnis aus Doppleruntersuchungen, die auch Massimo Pieri (DAN) später am Abend nochmal hervorhob, dass der Höhepunkt der Stickstoffbläschen im Körper nicht direkt nach dem Tauchgang ist, sondern sich die Bläschen an Land vermehren und den Höhepunkt etwa 30 Minuten nach dem Tauchgang erreichen (siehe Infografik). Das bedeutet, dass eine deutliche Oberflächenpause ohne körperlich anstrengende Betätigung von mindestens 1,5 Stunden sinnvoll ist, da erst danach die Stickstoffbelastung niedriger wird. Folglich ist besonders das von vielen Tauchern (und vor allem Taucherinnen) praktizierte direkte Ausziehen und spätere Holen des Tauchgeräts problematisch – sofern keine eineinhalbstündige Pause eingehalten wird. Es bedeutet aber auch, dass sich ein Taucher bei einem Tauchunfall absolut keiner Anstrengung aussetzen soll.
Der Taucher geht ohne Gerät aus dem Wasser. Bis der Helfer ihm helfen kann, um sein eigenes Gerät abzuwerfen bleibt er im Wasser, vorausgesetzt er ist bei Bewusstsein! Jegliche anstrengende Ausstiege müssen vermieden werden. Wenn Hilfe naht, kann man mit dem Verunfallten auch im Wasser bleiben und wenige Minuten warten, bis man ihn gemeinsam aus dem Wasser ziehen kann.
Tauchmedizinische Forschung
Ein generelles Ziel des DAN Road Trips ist es, die von DAN geförderte “participated Science”, also Forschung zum Mitmachen, bekannter zu machen und Daten für die tauchmedizinische Forschung von DAN Europe zu sammeln. Denn die bekannte Versicherung ist nur ein Standbein, DAN hat sich vor allem die Unfallvermeidung und Ursachenforschung zum Ziel erklärt. Dies wollen sie durch verschiedene Sicherheitskampagnen, Druckkammer-Programme, Risiko-Management für Tauchbasen sowie tauchmedizinischer Forschung erreichen.
Bisher sind erst 10% der Daten aus dem Tech-Bereich: Um auch diesen Bereich abdecken zu können, braucht DAN mehr Daten von Tech-Tauchern (Trimix und Rebreather).
Mitmachen ist jederzeit via https://diversafetyguardian.org) möglich, dazu muss man sich online registrieren (keine Mitgliedschaft oder Versicherung.) Die persönlichen Daten und Profile werden rein für die Forschung der DAN Europe Foundation genutzt und nicht dem Versicherer oder Dritten geteilt.
Diver Safety Guardian
Einen wichtigen Teil der tauchmedizinischen Forschung führt DAN über das online Taucherlogbuch Diver Safety Guardian: Das ganz normale und frei zugängliche (DAN Mitglied oder nicht) Onlinelogbuch hat eine Zusatzfunktion, mit der man weitere Daten rund um den Tauchgang eingeben und den Tauchgang schlussendlich für die Forschung freigeben kann.
Während bei vielen weiteren Stops (u.a. am Attersee und am Walchensee) Daten für die Studie gesammelt wurden, präsentierte Massimo Pieri in Kufstein erste aktuellen Erkenntnisse und Untersuchungen.
Um in den aktuellen Studien wissenschaftlich gültige Aussagen treffen zu können, sind noch weitere Daten notwendig. Bei den Ergebnissen, die schon auf der EUBS-Konferenz in Genf präsentiert wurden, konnten jedoch bereits einige interessante Auffälligkeiten beobachtet werden:
Der Gradientenfaktor ist zwar bei den Fällen mit DCS auffallend höher als in der gesamten Vergleichsdatensammlung, jedoch zeigt ein Großteil der DCS-Zwischenfälle nur eine laut den derzeitigen Algorithmen “gut tolerierbare” Übersättigung.
Von 327 DCS Fällen in der DAN Datensammlung weisen nur 8 einen Gradientenfaktor >1 auf. Dies bedeutet, dass alle anderen DCI-Fälle “undeserved hits” sind, also Unfälle, die trotz Einhaltung der derzeit gängigen Rechenmodelle und Empfehlungen passiert sind.
Das wiederum weist darauf hin, dass es bei den derzeitigen mathematischen Algorithmen eine Grauzone gibt, die DAN mit der Studie näher ergründen will.
Während die körperliche Tätigkeit während des Tauchgangs, die Art des Anzugs (trocken/nass), die Wassertemperatur oder gesundheitliche oder während des Tauchgangs auftretende Probleme in der Statistik bislang keinen Unterschied machen, sind vor allem das Geschlecht (Frauen sind stärker betroffen) und das Alter (je älter, desto höher das Risiko) Risiko beeinflussende Faktoren (die Forschung ist noch nicht abgeschlossen.)
DAN erklärte es zum Ziel des Abends, jeder Taucher soll sich für ihn interessante Botschaften und Fakten mitnehmen und so zum sichereren Taucher werden. Unter diesem Motto noch einige weitere, ganz verschiedene Botschaften des Abends zum Nachdenken oder Nachforschen:
– Im DAN Flying Bubbles Project wurde zum ersten Mal getestet, wie es wirklich mit dem Fliegen nach dem Tauchen ist. Mehrere Taucher wurden nach dem Tauchen, vor dem Flug und während des Flugs untersucht. Grob gesagt: die Empfehlungen wurden bestätigt. Aber es wurde auch herausgefunden, dass wegen des höheren Kabinendrucks bei Langstreckenflügen Kurzstrecken-Linienflüge für den Taucher wesentlich belastender sind als Langstreckenflüge. Jeder zweite behandelte Tauchunfall hat auf dem Heimflug Beschwerden.
– Sport kopiert Tech
Immer mehr Sporttaucher schauen sich das ein- oder andere von Tech-Tauchern ab. Da ist viel Gutes, das man kopieren kann und soll, wie beispielsweise die Drills, die regelmäßigen Übungen, Selbsteinschätzung, die Redundanz, aber nicht alles macht auch beim Sporttauchen Sinn. Als Beispiel die DIR-Schlauchlängen: diese machen nur bei horizontaler Wasserlage Sinn, ansonsten wird der Spender mitunter durch seinen eigenen Schlauch stranguliert.
– Ausbildung & Internet
“Beim guten Tauchen geht es um Millimeter, um Details, um Kleinigkeiten” betonte besonders Dr. Frank Hartig die Wichtigkeit einer guten und fundierten Ausbildung: “Das lernt man nicht aus youTube Tutorials und Facebook-Gruppen.”
– Das größte Risiko bei Kaltwasser-Deko-Tauchgängen ist der Trockentauchanzug: fällt er aus, wie lange kann man das kalte Wasser aushalten?